
91
„Meine Mutter war absolut dagegen, weil wir eine ‚unendlich katholische Familie‘ waren, und mein Mann war evangelisch.“
„Ich kenne meinen Vater nur noch aus der Zeit, wenn er in den Urlaub aus dem Krieg nach Hause gekommen ist. Als er das letzte Mal daheim gewesen ist, soll mein Bruder gesagt haben: ‚Was will denn der fremde Mann?‘ Irgendwann ist mein Vater gar nicht mehr nach Hause gekommen und ’44 dann auch als vermisst gemeldet worden. Da stand meine Mutter mit drei Kindern, einem Haus und Schulden alleine da. Sie war sehr streng – zwangsläufig. Sie hat nur geschaut, dass sie alles mehr oder weniger zusammengehalten hat.
Später hab ich dann meinen Mann kennengelernt. Meine Mutter war absolut dagegen, weil wir eine ‚unendlich katholische Familie‘ waren, und mein Mann war evangelisch. Sie ist dann nicht einmal zur Hochzeit gekommen! Es hat lange gedauert, bis wir ein bisschen Tuchfühlung hergebracht haben.
Damals war die Wohnungsnot in München so groß, dass wir nur eine relativ kleine Wohnung gehabt haben und die haben wir mit den Schwiegereltern geteilt. Das war auch wirklich nicht einfach!
Der Leidtragende war mein Mann: die Schwiegermutter hat geschimpft und ich hab oft geweint. Vor allem ist aber unsere Tochter allein geblieben, weil wir gar keinen Platz gehabt hätten. Ende der 70er Jahre ist dann meine Schwiegermutter verstorben und kurz darauf der Schwiegervater.
Mein Mann ist leider auch sehr früh gestorben, weil er schwer krank war. Und so bin ich seit fast 40 Jahren alleine. Aber meine Tochter, der Schwiegersohn und der Enkel wohnen hier in München und helfen mir.
Ich hab mir dann natürlich ganz bald was anderes gesucht, dass ich irgendwie eine Beschäftigung habe. Vor ungefähr 20 Jahren bin ich dann im Alten-Servicezentrum hängen geblieben. Die Chefin hat immer ein Lächeln für alle – egal wie schwierig es gerade ist. Alle sind unendlich aufmerksam und nett dort. Eine große Familie, würde ich sagen. Mit manchen versteh ich mich ganz gut und mit manchen gar nicht. Aber das ist einfach das Leben.
Und so bin ich inzwischen alt geworden. Und auch wenn die Knochen nicht mehr alles mitmachen, geh ich noch einkaufen und koch mir selber.
Ich geh regelmäßig ins ASZ zum Mithelfen und möchte wieder mit dem Sport anfangen. In meinem Alter hab ich eigentlich keinen Traum mehr. Ich hoffe bloß, dass ich möglichst lange in der Wohnung und selbstständig bleiben kann.“
Viertel: Obergiesing
Beruf: Rentnerin