88 Jahre - Portraits of Munich

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„Meine Freundinnen haben immer gesagt: ,Bei uns gibt es nie Streit.’ Dann hab ich gesagt: ,Dann bist entweder du ein Depp oder dein Mann.“

„Ich bin 35 in der Maistraße auf die Welt gekommen. Wir haben erst in Denning und dann im Lehel gewohnt. Wie so richtig der Krieg war, war ich fünf Jahre alt. Nachdem wir drei Kinder waren, haben wir mehr Butter- oder Zuckermarken bekommen. Die haben wir dann eingehandelt gegen Brikett. Bei uns gab’s einen Kohlenhändler, der nicht nur uns Kinder arbeiten hat lassen, sondern wir haben auch was gekriegt dafür. Da waren wir dankbar.

Nach dem Krieg haben sie meinem Papa angeboten, den Hausverwalter im Maria-Theresia-Gymnasium zu machen. So sind wir an den Regerplatz gezogen. Meine Mama hat dort geputzt und auch die Schulspeisung verkauft. Die beiden waren immer beliebt bei den Lehrern und den Kindern. Ich selber war auf der St. Anna Schule. Nach der 8. Klasse hab ich dann eine Lehre in einem Schreibwaren-, Zeitschriften– und Zigarettengeschäft in der Fraunhoferstraße gemacht. Ich musste jeden Tag in der Früh um 7 antreten und um 6 haben wir wieder zugesperrt. Nach der Berufsschule musste ich noch im Laden putzen. Das hab ich drei Jahre gemacht. Danach hab ich erst bei Kaut Bullinger gearbeitet und dann war ich 38 Jahre bei Kanzenel & Beisenherz. Erst war ich Verkäuferin und später dann Einkäuferin.

Da hab ich auch meinen Mann kennengelernt. Er war Buchhalter und ich hab in unserem ersten Gespräch am Telefon einfach aufgelegt. Als er mich dann gefragt hat, was das soll, hab ich gesagt: „Wenn jemand eine blöde Frage stellt, dann kann man entweder mit einer blöden Antwort antworten, aber ich hab halt eingehängt.“ Die anderen haben bloß den Kopf geschüttelt. Dann war Oktoberfest. Er ist auf mich zugekommen, hat sich vorgestellt und gefragt: „Derma Geisterbahn fahren?“ Na, dann sind wir Geisterbahn gefahren. Ein Jahr später haben wir geheiratet und dann waren wir 58 Jahre verheiratet.

Ich hatte eine gute Ehe. Wir haben auch gestritten. Meine Freundinnen haben immer gesagt: „Bei uns gibt es nie Streit.“ Dann hab ich gesagt: „Dann bist entweder du ein Depp oder dein Mann.“ Karl hat mich aber auch immer machen lassen und ich war immer mutig: so hab ich auch mit 50 den Führerschein noch gemacht. Da wir keine eigenen Kinder hatten, durften die Kinder von Freunden bei uns Ferien machen. Die Kontakte zu den Leuten bestehen heute noch. Als Karl 2018 gestorben ist, sind alle Freunde bei mir geblieben. Mittlerweilen habe ich auch viele junge Freunde, bin Pseudo-Oma und seit kurzem auch Uroma. Ich bin neugierig auf alles, was da noch kommt.“

Viertel: Innenstadt

Lieblingsorte: der Weiher an der Isar und den Rosengarten

Beruf: ehem. Schreibwaren-Fachkraft